1. Frage: Die Höhe der Bauzinsen hat sich seit Anfang 2022 vervierfacht. Ist der Zenit erreicht?
Naumann: Die Schnelligkeit und Steilheit der Zinsentwicklung in 2022 war bislang einmalig. Tatsächlich legen wir aktuell eine Pause ein. Teilweise gibt es sogar leichte Rückbildungstendenzen. Die Spielräume der Notenbanken für weitere Erhöhungen der Leitzinsen engen sich mit der nachlassenden Konjunktur immer weiter ein, sodass in absehbarer Zeit ein Ende der restriktiven Geldpolitik erfolgen könnte. Von einem Zenit würde ich nicht sprechen, vielmehr von einer Hochebene, auf der wir uns bewegen. In nächster Zeit sind somit eher moderate Bewegungen um das erreichte Niveau herum zu erwarten. Jedenfalls dürfte es keine Kehrtwende zurück zu dem Stand vor einem Jahr geben.
2. Frage: Wo sehen Sie die Bauzinsen im Laufe des Jahres 2023?
Naumann: Die Leitzinsen sind in diesem Jahr bis November von 0 % bis auf 2 % gestiegen. Baukredite verteuerten sich von rund 1 % auf etwa 4 %. Die Dynamik dürfte sich deutlich abschwächen und die Europäische Zentralbank könnte ihren stringenten Kurs verlangsamen. Eine Stoppmarke für den EZB Refi-Satz ist bei 2,75 % zu erwarten. Neben den Inflationsrisiken treten immer mehr die Sorgen vor einer starken Rezession in den Vordergrund. Der geldpolitische Kurs hat bisher schon dazu geführt, dass sich die Wirtschaft abgekühlt hat, die Aktienkurse niedriger geworden sind und die Gesamtinflation verharrt ist. Allerdings dürfte die Teuerungsrate in 2023 weiterhin hoch bleiben und damit keinen Raum für Zinssenkungen bieten. Insgesamt rechnen wir deswegen mit gleichbleibenden Zinssätzen und keinen markanten Bewegungen, weder nach unten noch nach oben. Bauzinsen bleiben demnach in einem Korridor zwischen 3 % und 4 %.
3. Frage: Immobilien sind für Normalverdiener vielerorts kaum mehr bezahlbar. Die gestiegenen Bauzinsen, Inflation, Material- und Fachkräftemangel haben dies weiter befeuert. Wird es nun zu nachhaltigen Preiskorrekturen kommen?
Naumann: Während der Pandemie war der Wohnimmobilienmarkt in Deutschland nicht nur robust, sondern glänzte mit zweistelligen Preisanstiegen. Diese Zeiten sind vorbei. Die Finanzierungskosten sind drastisch gestiegen, was die Erschwinglichkeit für viele Privatpersonen beeinträchtigt hat. Zusätzlich führt die nachlassende Attraktivität der Immobilie als Kapitalanlage voraussichtlich zu weiterhin rückläufigen Preisen. Manche Studien gehen sogar von Preiseinbrüchen um bis zu 10 % aus. Angesichts einer Inflationsrate in gleicher Höhe wäre das eine sehr deutliche Korrektur. Das eröffnet Käufern neue Verhandlungsspielräume beim Immobilienerwerb. Gleichzeitig widerspricht es der landläufigen Meinung, dass Immobilienbesitz der beste Inflationsschutz sei. Unabhängig wie stark die Preisrückgänge werden, scheint sich die im Herbst noch bestehende Pattsituation zwischen Verkäufern und Käufern, was zwischenzeitlich quasi zu einem plötzlichen Stopp im Wohnimmobilienmarkt geführt hatte, zugunsten der Käufer aufgelöst zu haben. 2022 könnte das erste Minusjahr für Wohnimmobilien seit 2009 bedeuten. Die Tendenzen zeigen immer deutlicher in diese Richtung.
4. Frage: Die hohe Inflation bringt viele Haushalte an ihre finanziellen Grenzen. Stellen Sie einen Rückgang bei der Nachfrage nach Immobilienkrediten fest? Haben Kreditnehmer vermehrt Zahlungsschwierigkeiten?
Naumann: Der Markt hat sich deutlich verlangsamt, was der kräftige Rückgang ab dem dritten Quartal in diesem Jahr im Neugeschäft für Immobilienfinanzierungen widerspiegelt. Zahlen der Bundesbank zeigen auf Jahressicht einen Einbruch um fast ein Drittel. Wobei sich die 1822direkt hier gut behauptet hat. Neben den gestiegenen Ausgaben zur Lebenshaltung hat die Entwicklung der Finanzierungskosten dazu geführt, dass ganze Käufergruppen sich derzeit eine eigene Immobilie nicht mehr leisten können. Konnte zum Jahresanfang eine Immobilie noch mit einer Annuität von drei Prozent (1 % Zins und 2 % Tilgung) finanziert werden, hat sich die Gesamtbelastung mittlerweile auf gut sechs Prozent verdoppelt. Angebotsseitig ist die Bautätigkeit durch Material- und Personalengpässe im Prinzip zum Erliegen gekommen. Insgesamt dürfte so die Boomzeit für Immobilienkredite vorerst vorbei sein.
Trotz der wirtschaftlichen Abschwächung zeigt sich der Arbeitsmarkt robust. Die Verschuldung der deutschen Haushalte ist insgesamt nicht übermäßig. Kreditnehmer von Wohnimmobilien sind im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung in der Regel finanziell meistens besser aufgestellt. Zudem sind die Wohnimmobilienkredite trotz der Preisrückgänge gut besichert. Insofern ist noch keine Zunahme an Zahlungsschwierigkeiten zu verzeichnen. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn eine eintretende Rezession den Arbeitsmarkt belastet. Zudem erschweren die steigenden Lebenshaltungskosten zunehmend die Schuldendienstfähigkeit. Wer bislang mit langen Zinsbindungen und höheren Tilgungen gut aufgestellt war, dürfte die derzeitige Situation weitaus besser meistern als Kreditnehmer mit kurzen Zinsbindungen und niedrigen Tilgungsraten bei hohen Verschuldungsraten im Verhältnis zum Einkommen.
5. Frage: Welchen Rat würden Sie im Moment einer jungen Familie mit auf den Weg geben, die mit einer eigenen Immobilie liebäugelt?
Naumann: Durch eine längere Zinsbindung und einer höheren Anfangstilgung kann selbst in schwierigen wirtschaftlichen Lagen eine gute Kalkulationssicherheit gewonnen werden. An dieser Grundregel würde ich gerade angesichts der Situation unbedingt festhalten. Deswegen lieber mehr Eigenkapital einsetzen oder Abstriche bei der Immobilie in Kauf nehmen, als eine Finanzierungsstruktur zu wählen, die zu sehr auf Kante genäht ist, indem Parameter so gesetzt werden, um den Kredit sich gerade noch so leisten zu können. Eine gute Beratung zeigt hier auf, wie für eine junge Familie über die gesamte Laufzeit des Kredits die Raten tragfähig bleiben und geht dabei auf verschiedene Szenarien oder Lebenssituationen ein.
Was weitere Experten prognostizieren, können Sie dem Bauzinsen-Ausblick von Biallo für das Jahr 2023 entnehmen
Unser Tipp: Sie besitzen ein Haus oder planen den Erwerb einer Immobilie?
Wenn Sie gerade eine Immobilie oder sogar eine Baufinanzierung suchen oder Ihr aktuelles Immobiliendarlehen demnächst zur Verlängerung ansteht, dann kümmern Sie sich am besten rechtzeitig darum. Denn nachher heißt es schnell sein. Wir helfen Ihnen gerne dabei.
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